Milchpumpe, Fläschchen und Sauger stehen heute auf jeder Erstausstattungsliste für stillende Mütter. Gleich neben dem Stillkissen, den Still-BHS und dem Stilltee. Uns jungen Müttern erscheint ganz normal: Zum Stillen braucht man eben das richtige Equipment. Doch in Wirklichkeit ist dieser Trend zu professionellen Stillausrüstung für den Heimbedarf noch sehr jung. Fragten werdende Mütter ihre Hebamme oder ihren Frauenarzt vor zehn Jahren, was sie zum Stillen brauchen, sagten die: Eine Brust und ein Baby. Sonst nichts.

Dass heute die Antworten meist anders ausfallen, zeigt, wie erfolgreich eine gut gemachte Marketingkampagne sein kann. Und das kam so: Bis vor etwa zehn Jahren war das Herstellen von Muttermilchpumpen nämlich ein eher freudloses Geschäft. Geburtskliniken hielten einige Pumpen für Frühchenmütter vor, und wer einen schlimmen Milchstau hatte, konnte sich in der Apotheke eine Handpumpe auf Kassenrezept ausleihen. Aber keine ganz normale stillende Mutter wäre auf die Idee gekommen, sich eine solche Pumpe für zu Hause anzuschaffen.

Eine geniale Marketing-Idee
Um das zu ändern, kamen Werbepsychologen auf eine geniale Idee: Statt als medizinisches Hilfsmittel wurden Milchpumpen nun als modernes Lifestyle-Produkt präsentiert, das jungen Müttern mit dem süßen Versprechen lockte, ihr Baby stillen und sich trotzdem frei fühlen zu können. Ganzseitige Anzeigen, die plötzlich in allen Elternmagazinen erschienen,  zeigten junge Stillmütter im Büro oder beim Shoppen mit Freundinnen, und Väter, die währenddessen zuhause selig lächelnden Babys Muttermilchfläschchen verabreichten. Fortbildungen für Hebammen und Frauenärzte wurden angeboten. Thema: Die neue Freiheit stillender Mütter. In Wartezimmern liegen Hochglanzbroschüren aus mit bewusst neutral klingenden Titeln wie „Stillen bei Erwerbstätigkeit“, die die mannigfaltigen Vorteile des Milchpumpens für die Frau von heute anpreisen. Der Plan ging auf: Immer mehr junge Frauen kaufen sich heute bereits in der Schwangerschaft ein Starterset mit Pumpe, Fläschchen und Sauger, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.

Heute geht die selbstverständliche Verknüpfung von Stillen und Abpumpen soweit, dass sich Mütter teilweise richtig rechtfertigen müssen, wenn sie die Milchpumpe eben nicht nutzen. “Du kannst doch abpumpen”, erwidern kinderlose Freundinnen und irritierte Kollegen, wenn Mütter mit Hinweis auf ihr Stillkind Termine absagen: “Stillende Mütter können doch heute problemlos auch mal den Papa ranlassen – oder bist Du etwa so eine Gluckenmutter, die nicht loslassen kann?”

Bloß kein Stress!
Soll ich also besser keine Milchpumpe anschaffen? Diese Schlussfolgerung wäre zu pauschal. Denn wie bei vielen Stillfragen kommt es auch beim Abpumpen ganz auf die Rahmenumstände an: Was für eine Mutter optimal ist, kann für eine andere eher belastend sein, und umgekehrt. Außerdem gibt es tatsächliche auch Stillprobleme, bei denen der Einsatz einer Milchpumpe klar indiziert ist. Doch gegen die gefühlten Pump-Pflicht sollten wir stillenden Mütter uns ganz klar wehren: Nur weil es Milchpumpen gibt, heißt das noch lange nicht, dass wir dazu verpflichtet sind, sie zu benutzen.

Denn die natürliche Ernährung für Menschenbabys ist das Stillen. Es soll sich gut anfühlen, praktisch sein und Spaß machen. Wenn Milchpumpe und Co dazu beitragen – wunderbar! Doch es wäre ein Fehler zu glauben, wir könnten nicht ohne solche Hilfsmittel. Denn auch, wenn es heute manchmal so scheint, als sei Stillen eine hochkomplizierte Angelegenheit, für die man sich am besten eine Profi-Ausstattung zulegt: Nötig ist das alles nicht. Das ist ja gerade das Schöne am Stillen: Es braucht dazu nichts. Außer einer Brust. Und einem Baby.