Die klassischen Schlaflernprogramme, bei denen ein Baby minutenlang alleine weinen gelassen werden, kommen immer mehr aus der Mode – zum Glück! Denn immer mehr Eltern ist klar, dass sie ihr Baby keiner solchen Qual aussetzen wollen, auch wenn ihr eigener Schlafmangel sie sehr belastet. Trotzdem wäre es natürlich schön, wenn sich die Nächte irgendwie zum Besseren verändern ließen …

In diese Lücke stoßen nun mehr und mehr so genannte Schlafcoaches, die sich explizit sanfte, liebevolle, bindungsorientierte Methoden auf die Fahnen schreiben.

Das Problem: Hinter diesen Angeboten verbirgt sich häufig der Wolf im Schafspelz. Denn auch Abwandlungen des klassischen Ferber-Programms sind immer noch verhaltenstherapeutische Maßnahmen, die zum Ziel haben, Babys und Kleinkindern ihre angeborenen Schlafbedürfnisse abzutrainieren.

Typische Erkennungsmerkmale dieser pseudo-liebevollen Schlaflerntrainings sind:

– Die Prämisse, dass Kinder ohne Begleitung in den Schlaf finden müssen, um durchschlafen zu können

– Die Definition, ein Baby, das mit sechs Monaten noch Hilfe beim Einschlafen brauche und/oder noch öfter als zwei Mal in der Nacht aufwache, habe ein ‘Schlafproblem’

– Die Unterstellung, Eltern hätten dieses angebliche Schlafproblem durch ‘schlechte Angewohnheiten’ selbst verursacht

– Das Ablehnen bindungsorientierter Einschlafhilfen wie Einschlafstillen, Einschlaftragen und Einschlafkuscheln

– Der Appell an Eltern, ihr weinendes Baby zu ignorieren und beispielsweise keinen Blick-/Körperkontakt aufzunehmen, auch wenn die Eltern im selben Raum bleiben.

– Die Aufforderung, das Stillen nach Bedarf einzustellen oder ganz abzustillen.

– Die Behauptung, in ihrem Bett weinenden Babys ginge es nicht wirklich schlecht, sie würden nur ‘protestieren’.

– Die Ermahnung an die Eltern, unbedingt konsequent bleiben zu müssen, schließlich bräuchten Kinder Grenzen

– Die Forderung, das Baby von nun an nur noch im eigenen Bett schlafen zu lassen und es dort um keinen Preis herauszunehmen

– Die Art und Weise, das Schlaflerntraining als Machtkampf und Bewährungsprobe konsequenter Elternschaft zu inszenieren (‘Jetzt müssen Sie sich mal durchsetzen.’)

– Die Behauptung, es hätte irgendeinen Vorteil für das Baby, alleine ein- und durchschlafen zu lernen. Etwa, es wäre dadurch ausgeruhter, fröhlicher oder gesünder.

Heißt das, bindungsorientierte Eltern können gar nichts für besseren Schlaf tun? Weit gefehlt: Es gibt viele Wege, die Schlafbedürfnisse der Großen und der Kleinen in einer Familie besser unter einen Hut zu bekommen – in unserem Buch ‘Schlaf gut Baby’ stellen Herbert Renz-Polster und ich einige davon vor. Auch die Schlafcoaches des Artgerecht Projekts sowie von 1001 Kindernacht arbeiten konsequent bindungsorientiert.

Doch wenn müden Eltern eine schnelle und sanfte Lösung für all ihre Schlafprobleme angeboten wird, ist es immer sinnvoll, genau hinzugucken: längst nicht alles, was als nett und sanft verkauft wird, ist auch wirklich babyfreundlich.