Wenn Frauen im Fernsehen Kinder kriegen, dann liegen sie dabei meist im Bett. Die Beine hochgelagert, den Oberkörper angewinkelt, das Gesicht ganz verzerrt von Schmerz und Anstrengung. Die Macht solcher Bilder ist nicht zu unterschätzen: Wer damit aufwächst, denkt irgendwann nahezu automatisch, dass Gebären eben so ist. Auch ich ging während meiner ersten Schwangerschaft ganz automatisch davon aus, dass ich mein Baby liegend und im Bett kriegen würde. Weil man das eben so macht. Im Geburtsvorbereitungskurs staunte ich deshalb nicht schlecht, als wir die verschiedenen Geburtspositionen durchgingen und meine Hebamme übers Kinderkriegen im Liegen die folgenden geflügelten Hebammenworte verlor: „Die Rückenlage ist die ungünstigste Geburtsposition nach dem Kopfstand.“


Ihre Argumente leuchteten mir absolut ein: Beim Gebären in aufrechter Position – also etwa im Stehen oder in der Hocke – hilft die Schwerkraft mit, die das Baby nach unten zieht. Außerdem kann sich das Becken in dieser Haltung besser öffnen, so dass das Kind leichter durch den Geburtskanal rutscht. Und schließlich erlebt die Frau ihre Geburt viel aktiver und selbstbestimmter, wenn sie dabei nicht wie ein auf den Rücken gefallener Käfer hilflos im Bett liegt. Dass in unserer modernen westlichen Welt trotzdem die allermeisten Geburten in Rückenlage stattfänden, schloss unsere Hebamme, sei deshalb vor allem der typischen Klinikroutine geschuldet: Gebärende in Rückenlage seien für Geburtshelfer schlicht einfacher zu betreuen und zu untersuchen als etwa Frauen, die im Vierfüßlerstand oder in der tiefen Hocke gebären. So weit, so logisch.
Mein erstes Kind kam dann wenige Wochen später zu Hause zur Welt. In aufrechter Geburtsposition, versteht sich. Und ich spürte am eigenen Leib wie wahr die Worte unserer Hebamme gewesen waren: Mit beiden Füßen fest auf dem Boden zu stehen und von meinem Mann gehalten zu werden, während in unser Baby zur Welt brachte, fühlte sich gut und kraftvoll an. Unbequem war die Geburtsposition einzig für unsere Hebamme, die auf dem Boden liegend unsere Tochter in Empfang nahm.

Die Füße fest auf dem Boden, den Kopf stolz erhoben: Dass das eine kraftvolle Geburtsposition ist, steht außer Frage.

Beim nächsten Mal will ich das wieder so, beschloss ich. Nie würde ich nach dieser tollen Erfahrung je ein Kind in Rückenlage bekommen wollen. Aufrechtes Gebären rockt!
Doch als unser zweites Baby in einer wahren Blitzgeburt zur Welt kam und ich dazu die vertraute Position einnehmen wollte, fühlte sich die Traumhaltung aus meiner ersten Geburt auf einmal gänzlich falsch an. Vierfüßlerstand, hohe Hocke, tiefe Hocke, Seitenlage – alles war plötzlich verkehrt. Mein Körper strebte in genau eine Position: die Rückenlage. Und so kam meine zweite Tochter auf unserem Gästesofa zur Welt, während unsere Hebamme die Stufen zu unserer Wohnung hoch hetzte. Als sie ankam, war das Baby schon da. Die verpönte Rückenlage war für diese Geburt im Rückblick optimal: Weil mein Mann und ich allein waren, mussten wir uns in dieser Position nicht darum sorgen, wer unser Baby „auffängt“ – und unter Mithilfe der Schwerkraft wäre die Geburt vermutlich noch schneller gegangen. Das wäre mir eindeutlich zu schnell gewesen!
Und nun kam also vor wenigen Wochen auch unser drittes Kind zur Welt. Und was soll ich sagen? Ich gebar meinen Sohn im Bett, auf dem Rücken liegend, mit angewinkelten Beinen – im Rahmen einer wunderbar kraftvollen und selbstbestimmten Hausgeburt. Nicht, weil ich musste. Sondern weil es sich richtig anfühlte.
Ist die Rückenlage also wirklich die ungünstigste Geburtsposition nach dem Kopfstand? Nach meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen: Kommt drauf an. Wichtig ist vor allem, dass wir Frauen unter der Geburt auf unseren Körper hören. Dass wir aktiv mitarbeiten, wenn sich der Muttermund öffnet, ob im Gehen oder im Stehen, im Knien, Hocken oder Liegen. Dass wir erspüren, was unser Körper braucht. Doch von “guten” und “schlechten” Geburtspositionen zu sprechen, halte ich ich in diesem Zusammenhang für kontraproduktiv. Gut ist, was sich gut anfühlt, und was Mutter und Kind hilft.

Vielleicht habe ich mich deshalb bei der Arbeit an meinem Mutmachflyer zur Geburt zunächst nicht daran gestört, dass darin eine Gebärende in Rückenlage dargestellt ist. Seither haben mich mehrere Mütter, Doulas und Hebammen darauf hingewiesen, dass es doch viel schöner wäre darin eine aufrechte Geburtsposition zu zeigen. Diesem Vorschlag komme ich gerne nach – in der nächsten Auflage des Flyers wird das Bild gedreht, ebenso wie in folgenden Auflagen meines Geburtsbuches, aus dem die Zeichnungen und die ermutigenden Fakten zur Geburt stammen. Denn es stimmt ja: Die Geburt in Rückenlage ist so fest in unseren Köpfen verankert, dass wir dringend neue Bilder brauchen, die dazu ein Gegengewicht setzen.

Ja, wir brauchen neue Bilder. Doch das bedeutet nicht, dass nur eine aufrechte Geburt eine gute Geburt ist.

Denn die Rückenlage als Geburtsposition kritisch zu hinterfragen, macht auf jeden Fall Sinn – gerade wenn es um Klinikgeburten geht, in denen Frauen oft weniger Mitspracherecht haben was ihre individuelle Geburtsposition angeht. Doch das Hervorheben der Vorteile aufrechter Gebärpositionen darf aus meiner Sicht nicht so weit gehen, die Rückenlage als völlig unmögliche und kontraproduktive Geburtsposition abzukanzeln. Eine Geburt aus der Hocke ist nicht besser als eine Geburt in Rückenlage, eine Geburt auf dem Badezimmerteppich oder in der Wanne nicht unbedingt selbstbestimmter als eine Geburt im Bett. Gebären ist kein Wettbewerb, und weder der Geburtsort noch die Geburtsposition einer Frau sagen irgendetwas darüber aus, ob sie ihre Geburt als kraftvoll und selbstbestimmt erlebt hat. Eine gute Geburt ist eine gute Geburt. Und was in diesem verletzlichen Moment für sie ganz individuell die beste Geburtsposition ist, weiß nur die gebärende Frau allein.